Epilog
Der Begriff Mittelalter bezeichnet in der europäischen Geschichte die Epoche zwischen dem Ende der Antike und dem Beginn der Neuzeit (ca. 6. bis 15. Jahrhundert). Sowohl der Beginn als auch das Ende des Mittelalters sind Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion und werden recht unterschiedlich angesetzt. Als Eckpunkte für den Beginn des Mittelalters werden von Historiker vor allem der Untergang des Weströmischen Reiches (476) sowie das Ende der großen Völkerwanderung (568) genannt. Das Ende des Mittelalters wird von Historikern meist durch der Erfindung des Buchdrucks (1450), dem Untergang des Byzantinischen Reichs (vomals oströmisches Reich)(1452), die Entdeckung Amerikas (1492), sowie dem Beginn der Christlichen Reformation (1517) fokussiert.
Im Übergang von der Spätantike ins Frühmittelalter zerbrach die politische und kulturelle Einheit des durch die griechisch-römische Antike geprägten Mittelmeerraums. Während das Byzantinische Reich im Osten intakt blieb, ging das Westreich 476 unter. Es entstanden neue Reiche, bewohnt von romanischen, germanischen, slawischen und keltischen Völkern. Während der antike Kernraum bereits christlich geprägt war, wurden im Mittelalter die übrigen paganen (heidnischen) Gebiete Europas christianisiert. Im Frühmittelalter bildete sich im Wesentlichen die politische Grundordnung späterer Zeiten heraus. Das anschließende Hochmittelalter war gekennzeichnet durch den Aufschwung von Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Im Spätmittelalter erfolgte der langsame Übergang in die Frühe Neuzeit.
Mit dem Islam entstand im 7. Jahrhundert eine neue Religion, die sich infolge der arabischen Eroberungen im Nahen und Mittleren Osten, Nordafrika und in Teilen Südeuropas ausbreitete, bevor christliche Herrscher die Rückeroberung in Spanien (Reconquista) und Süditalien/Sizilien einleiteten. In Südosteuropa hingegen drangen seit dem 14. Jahrhundert die Osmanen weiter vor.
Die vorherrschende Gesellschafts- und Wirtschaftsform des Mittelalters war der Feudalismus. Grundzüge dieser Zeit waren eine nach Ständen geordnete Gesellschaft, ein durch das Christentum bestimmtes Weltbild, eine christlich geprägte Wissenschaft und Literatur, Architektur, Kunst und Kultur sowie Latein als gemeinsame, übergreifende Bildungssprache. Nach dem Großen Schisma von 1054 strebten sowohl die katholischen Kirche als auch die orthodoxe Kirche nach Einheit des Christentums unter ihrem Dach, was aber nicht mehr gelang.
Im deutschsprachigen Raum hat die an der fränkischen und deutschen Herrschergeschichte orientierte Geschichtsschreibung das europäische Mittelalter vornehmlich in drei Hauptphasen gegliedert:
- Frühmittelalter (6. Jahrhundert bis Anfang/Mitte des 11. Jahrhunderts), die Epoche der Merowinger, Karolinger und Ottonen.
- Hochmittelalter (Anfang/Mitte des 11. Jahrhunderts bis ca. 1250), die Zeit der Salier und Staufer.
- Spätmittelalter (ca. 1250 bis ca. 1500), in der älteren Forschung auch als der „Herbst des Mittelalters“ bezeichnet (Habsburger und Luxemburger).




| Frühmittelalterliche Bewaffnung | Mittelalterliche Burg in Deutschland | Illustration Ottos Sieg über Berengar II. | Burghof einer mittelalterlichen Burg | Der Fall Konstantinopels |FrühmittelalterDie Völkerwanderung wird von der Forschung als Bindeglied zwischen Spätantike und frühen Mittelalter angesehen. Mit dem Ende der Völkerwanderung, das traditionell mit dem Einfall der Langobarden in Italien (568) verbunden wird, begann zumindest in West- und Mitteleuropa endgültig das Frühmittelalter. Der Übergang ist somit im 6. Jahrhundert fließend. Im Frühmittelalter fanden viele einschneidende Entwicklungen statt, die Auswirkungen bis in die Moderne haben. Es vollzog sich eine Umformung des antiken römischen Erbes, doch trotz zahlreicher Brüche sind ebenso viele Kontinuitätslinien zu erkennen.
Die Christianisierung kam auch in bisher heidnischen Gebieten in Gang (zum Beispiel östlich des Rheins und später in Skandinavien), unter anderem durch die Tätigkeit irischer Missionare. Etwa um 500 begann unter König Chlodwig I., der mit seinem Adel geschlossen zum katholischen Christentum übergetreten war (dem Glaubensbekenntnis der gallischen Mehrheitsbevölkerung), der Aufstieg des Frankenreichs, das schließlich auf der Grundlage der Überreste des Weströmischen Reiches und der Reiche mehrerer germanischer Völker (so der Burgunder und der Westgoten in Gallien) seine Vorherrschaft in West- und Mitteleuropa begründete. Dabei blieb das (476 im Westen de facto zusammengebrochene) Römische Reich während des gesamten Mittelalters ein wesentlicher Referenzpunkt politischen Denkens. Den Höhepunkt dieser Entwicklung stellte die Krönung Karls des Großen zum „römischen Kaiser“ (Translatio imperii) durch den Papst an Weihnachten des Jahres 800 dar.
Nach Karls Tod 814 zerfiel das Frankenreich allmählich. Aus seiner westlichen Hälfte entstand das spätere Frankreich, während sich aus der Osthälfte das Ostfrankenreich und daraus später (erst im Hochmittelalter) das „Heilige Römische Reich“ entwickelte. Unter den Ottonen nahm das Ostfrankenreich eine quasi-hegemoniale Stellung im lateinischen Europa ein. Nach 962 kamen als Träger der erneuerten „römischen“ Kaiserwürde faktisch nur noch die ostfränkischen/römisch-deutschen Könige in Frage.
Gegen Ende des Frühmittelalters ereigneten sich die Raubzüge der Wikinger (ca. 800–1050) und der Magyaren („Ungarneinfälle“, ca. 900–955). Zusammen mit der Eroberung Nordafrikas und eines Großteils der Iberischen Halbinsel (ca. 640 bis 720) durch die Muslime, löschten diese Plünderungen die letzten spätantiken Strukturen aus und setzten eine Entwicklung in Gang, die vielen Bauern im Frankenreich ihrer Freiheit beraubte und die staatliche Autorität zersplitterte, da die Verteidigung der einzelnen Gebiete den dortigen Grundherren auferlegt wurde. Dies führte letztendlich zum Entstehen des feudalistischen Wirtschaftssystems. Die Britischen Inseln und Nordfrankreich hatten am meisten unter den Angriffen der Wikinger zu leiden, wobei die Wikinger auch eigene Herrschaftsgebiete errichteten. Im 10. und 11. Jahrhundert kam es in den karolingischen Nachfolgereichen und im angelsächsischen England zu einer staatlichen Konsolidierung. Auf der Iberischen Halbinsel drangen christliche Heere im Rahmen der Reconquista in die zwischen 711 und 719 von den Mauren eroberten ehemals westgotischen Gebiete vor.
Wirtschaftlich spielte im Frühmittelalter im lateinischen Westen die Naturalwirtschaft eine Rolle, wobei das System der Grundherrschaft herauszustellen ist.
HochmittelalterDas Hochmittelalter war die Blütezeit des Rittertums und des römisch-deutschen Kaiserreichs, des Lehnswesens und des Minnesangs. Die Bevölkerung begann zu wachsen, Handwerk und Handel wurden gefördert und auch die Bildung war nun nicht länger ausschließlich ein Privileg des Klerus. Allerdings verlief die Entwicklung in den einzelnen Reichen recht unterschiedlich.
In diese Epoche fallen die Kreuzzüge, in denen sich der massive Einfluss der seit 1054 gespaltenen Kirche zeigte. Während der Kreuzzüge zogen immer wieder Heere aus West- und Mitteleuropa in den Nahen Osten, um die dortigen „heiligen Stätten“ des Christentums von den Moslems zu „befreien“, doch gelang es den (West-)Europäern nicht, sich dauerhaft dort festzusetzen. Später traten die religiösen Ziele der Kreuzzüge in den Hintergrund, oftmals zugunsten von Machtpolitik und wirtschaftlichen Interessen.
Im Laufe der Kreuzzüge entwickelte sich auch ein Fernhandel mit dem Morgenland. Mit dem Handel gewann die Geldwirtschaft an Bedeutung. Ebenso gelangten neue bzw. wiederentdeckte Ideen nach Europa (wissenschaftliche Denkweise). In Italien und später in Frankreich entstanden die ersten Universitäten. Vor allem in Mitteleuropa entstand das Zunftwesen, das die sozialen und wirtschaftlichen Vorgänge in den Städten stark prägte.
Das Hochmittelalter war auch eine Epoche der Auseinandersetzung zwischen weltlicher und geistlicher Macht im Investiturstreit, welcher die Einsetzung mehrerer Gegenpäpste zur Folge hatte. Die wichtigsten Orden des Hochmittelalters waren neben den Zisterziensern die Bettelorden der Franziskaner und Dominikaner. Daneben entstanden neue christliche Laienbewegungen. Die Inquisition wurde auch deshalb ins Leben gerufen, um gegen diese sogenannten Ketzer vorzugehen.
In Nord- und Osteuropa bildeten sich im Zuge der fortschreitenden Christianisierung neue Königreiche wie England, Norwegen, Dänemark, Polen, Ungarn und Böhmen. Ebenso entstanden noch weiter im Osten unter dem Einfluss der Wikinger und orthodoxer Missionare aus dem Byzantinischen Reich, das um 1000 seinen Höhepunkt erreichte, weitere Reiche wie das Kiewer Reich. Während Byzanz durch den Vierten Kreuzzug im Jahre 1204 eine entscheidende Schwächung seiner Macht erfuhr, wurde das Reich der Kiewer Rus im Zuge des Mongolensturms 1223 zerstört; weitere osteuropäische Reiche (vor allem Polen und Ungarn) entgingen nur knapp dem Untergang.
Im 8. Jahrhundert hatte die Rückeroberung der von den Mauren eroberten Gebiete auf der Iberischen Halbinsel durch die benachbarten christlichen Königreiche begonnen. Die Reconquista endete 1492 mit der Eroberung des Emirats von Granada.
SpätmittelalterDas Spätmittelalter war die Zeit des aufsteigenden Bürgertums der Städte und der Geldwirtschaft. Während das Byzantinische Reich nach der Eroberung Konstantinopels 1204 während des Vierten Kreuzzuges langsam aber sicher seinem Untergang entgegenging, gewannen die christlichen Staaten auf der iberischen Halbinsel nach dem Sieg bei Las Navas de Tolosa im Jahre 1212 immer weiter an Boden. Europa erlebte ab etwa 1300 eine gewisse Krisenzeit. Objektiv feststellbar sind etwa Wetterveränderungen, die sich nachteilig auswirkten
Im Jahre 1291 fiel Akkon, die letzte Festung der Kreuzfahrer im Nahen Osten, die Autorität des Papstes schwand. Die schlimmste Katastrophe in der sogenannten Krise des 14. Jahrhunderts stellte jedoch die Pest dar, der „Schwarze Tod“, die ab 1347 von der Halbinsel Krim im Schwarzen Meer kommend die Länder Europas verheerte und zwischen einem Drittel und der Hälfte der europäischen Bevölkerung, vor allem in den Städten, das Leben kostete. Die Entvölkerung führte zu Aufständen und einem Wandel der Sozialstrukturen, die das Rittertum zugunsten des Bürgertums schwächten und in der katholischen Kirche einige Reformbewegungen auslösten.
Etwa zur gleichen Zeit wie diese Entvölkerung begann aufgrund von Erbstreitigkeiten um die französische Krone der Hundertjährige Krieg zwischen Frankreich und England. Von 1340 bis etwa 1420 behielten die Engländer die Oberhand, bis Jeanne d'Arc, den Franzosen wieder Hoffnung gab und ihnen bei Orleans zum Sieg verhalf. Obwohl sie schon 1431 von den Engländern zum Tode verurteilt wurde, konnte Frankreich den Krieg 1453 siegreich beenden, in demselben Jahr, in dem Konstantinopel an die osmanischen Türken fiel und in Deutschland der Buchdruck mit beweglichen Lettern erfunden wurde.
Kunst und Wissenschaften befanden sich im Spätmittelalter im Aufbruch. Die bereits im Hochmittelalter erfolgte Gründung der ersten Universitäten, vor allem in Italien (Bologna) und Frankreich (Paris), verhalf den Wissenschaften und der Philosophie zu einem neuen Aufschwung, denn sie verbreiten die Lehren antiker Gelehrter und ebneten so den Boden für die Epoche der Renaissance. Den Künstlern eröffneten sich neue Möglichkeiten dank Auftragsarbeiten für das selbstbewusste Bürgertum. Die bisher auf kirchliche Motive beschränkte Malerei wurde nun auf andere Bereiche ausgeweitet, auch die Dreidimensionalität wurde von den Malern entdeckt. Die Architektur lehnte sich infolge der Renaissancebewegung wieder an alte römische und griechische Vorbilder an.
Die Wirtschaft erlebte trotz der Pest eine Blüte. Hier sind vor allem die italienischen Stadtstaaten hervorzuheben, aber auch der in der Nord- und Ostsee entstandene Städtebund der Hanse. Die Hanse bewirkte durch den schwunghaften Handel eine weitere Besiedelung Nord- und vor allem Osteuropas durch hauptsächlich deutsche Kolonisten. Durch die Handelskontakte entstanden daneben in Russland eine Reihe neuer Fürstentümer, die nach und nach das mongolische Joch abschüttelten. Aus dem mächtigsten von ihnen, dem Fürstentum Moskau, sollte sich später das russische Zarenreich entwickeln.
Infolge der Rückeroberung der Iberischen Halbinsel von den Mauren entstanden die christlichen Königreiche Portugal und Spanien.